Es ist der 3. Mai, der Frühling zeigt sich von seiner besten Seite – und unsere Teams sind auf dem Weg nach Siversk. Die Sonne scheint, am Himmel ist kaum eine Wolke zu sehen.

Base UA arbeitete zusammen mit Ärzte ohne Grenzen in Sivers'k. © Madison Tuff
Base UA arbeitete mit einer Organisation für medizinische Versorgung zusammen. © Madison Tuff

Es ist der 3. Mai, der Frühling zeigt sich von seiner besten Seite – und unsere Teams sind auf dem Weg nach Siversk. Die Sonne scheint, am Himmel ist kaum eine Wolke zu sehen. „Es ist seltsam“, sagt unser Team Lead Sveta und pausiert einige Sekunden, während sie mit unserem Vier-mal-Vier über die mit Schlaglöchern übersäte Straße fährt. „Wenn es regnet oder schneit, ärgern wir uns über das schlechte Wetter, aber wenn die Sonne scheint, ist es auch nicht gut.“ Drohnen meint sie damit: Unsere Teams können bei gutem Wetter leicht von russischen Aufklärungsapparaten gesichtet werden. Ein wolkenloser Himmel bedeutet also erhöhtes Risiko – auch, wenn die Situation an der Front zurzeit stagniert.

Unser Plan für diesen Tag: Eine weitere mobile Klinik in Siversk, einer Stadt in der Donetsk-Region, rund 20 Kilometer nördlich von Soledar. Die aktuelle Kontaktlinie ist etwa 10 Kilometer entfernt.

Medizinische Grundversorgung, wo es kein normales Leben mehr gibt

Schon im Vorfeld haben wir Flyer in der Stadt verteilt, Plakate geklebt, sind zur lokalen Administration gegangen, um alles abzuklären: Ärzt:innen besuchen die Stadt, die seit Monaten von der Außenwelt abgeschnitten ist – wir sorgen dafür, dass die Zivilist:innen davon erfahren und wenn sie nicht selbst zur Klinik kommen können, holen wir sie ab. Auf diese Weise haben auch Menschen, die sich nicht bewegen können, Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung.

Als die Partner-Crew eintrifft, sitzt bereits eine Gruppe von Menschen vor dem einst voll funktionsfähigen Krankenhaus. Heute dient es mitunter als Unterschlupf für Menschen, deren Häuser zerstört wurden. Im Keller des Gebäudes hat man dafür die einzelnen Räume für die Stadtbewohner:innen aufbereitet.

Die Wartenden unterhalten sich, rauchen, einige von ihnen leben hier. Immer wieder ist Artillerie zu hören, die das ukrainische Militär in Richtung Kontaktlinie schickt. Weit entfernte Einschläge von russischer Artillerie gibt es allerdings auch. Eine alte Frau mit rotem Kopftuch und Buckel sammelt Holz von zerstörten Häusern ein und bringt die vollen Taschen in den Keller hinunter. Eine weitere Frau kehrt den Boden vor dem Eingang.

Die Einwohner:innen von Siversk sind die Geräusche einschlagender Artillerie gewohnt. © Madison Tuff
Die Einwohner:innen von Siversk sind die Geräusche einschlagender Artillerie gewohnt. © Madison Tuff

Noch ist die russische Artillerie relativ weit entfernt.

Während die Ärzte beginnen, die Menschen zu behandeln, machen wir uns auf den Weg zu den uns bekannten Anlaufstellen. Wir waren zuvor in Kontakt mit der lokalen Administration, kennen also die Adressen derjenigen, die Behandlung brauchen. Die meisten Menschen, die noch in Siversk leben, sind bereits sehr alt, können kaum oder gar nicht mehr gehen und brauchen deshalb unseren Fahrservice.

Während der Arbeit hören wir, dass die Einschläge russischer Artillerie häufiger werden – und lauter. Auch Drohnen sind zu hören. Sind sie russisch oder ukrainisch? Das lässt sich in den seltensten Fällen sagen, doch riskieren sollten wir nichts. Wir warten eine Zeit lang im Keller des Krankenhauses, um auf Nummer sicher zu gehen, während weder die Drohnen, noch die Einschläge den Menschen vor Ort Sorge zu bereiten scheinen. Sie sitzen weiterhin in der Sonne und genießen die warme Luft.

Siversk: Unser Team wartet im Keller des Krankenhauses, bis sich die Situation beruhigt. © Joana Rettig
Siversk: Unser Team wartet im Keller des Krankenhauses, bis sich die Situation beruhigt. © Joana Rettig

Die Ärzt:innen sind bereits fertig mit ihren Behandlungen und machen sich auf den Weg zu einem weiteren Ort, an dem sie ihre Arbeit fortsetzen. Wir sind gerade mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, als die Artillerie erneut näherzukommen scheint.

Eigentlich hätten wir noch zwei weitere Adressen gehabt, um Menschen mit nötiger Medizin bei sich zu Hause zu versorgen, ein älterer Mann wollte zudem evakuiert werden. Doch die Geschosse schlagen in etwa in der Richtung ein, in der diese Menschen leben. Wir müssen uns entscheiden: Riskieren wir es? Oder versuchen wir es am nächsten Tag erneut?

Als eines der Teams gerade starten will, sind erneut Drohnen und mehrere Einschläge zu hören. Wir müssen also die Entscheidung treffen, es doch in den nächsten Tagen zu versuchen.

An diesem Tag können Base UA und seine Partner rund 30 Menschen medizinisch versorgen.

Eindrücke von der mobilen Klinik von Base UA und MSF

Photos by Madison Tuff and Joana Rettig

Update

Wir konnten in den darauffolgenden Tagen beide Aufträge, die wir verschieben mussten, erfüllen.

Unser Team organisiert eine Online Sprechstunde für einen alten Mann in Siversk. © Madison Tuff
Unser Team organisiert eine Online Sprechstunde für einen alten Mann in Siversk. © Madison Tuff

Mit einem Starlink im Gepäck konnten wir in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Organisation Telehelp Ukraine einen älteren Mann telemedizinisch versorgen. Medikamente, die der Mann regelmäßig einnehmen muss, hatten wir vorab schon besorgt.

Auch den älteren Herren, der evakuiert werden wollte, konnte unser Team aus Siversk abholen.